Rezension Jaqueline Scheiber – Offenheit

Rezension Jaqueline Scheiber – Offenheit

Autor: Jaqueline Scheiber
Titel: Offenheit
Herausgeber: Kremayr & Scheriau
Datum der Erstveröffentlichung: 05. Oktober 2020
Buchlänge: 112 Seiten
ISBN: 978-3-218-01237-9
Preis: HC 18,00€ / eBook 9,99€
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♥ Dieser Beitrag enthält Werbung, da es sich um ein Rezensionsexemplar handelt 

 

 

Eine junge Frau verfasst einen Tag, nachdem ihr Partner plötzlich verstirbt, einen Instagram-Post darüber. Sie präsentiert ihren von Dehnungsstreifen übersäten Bauch dreißigtausend Menschen. Sie macht ihre psychische Erkrankung öffentlich, auch auf die Gefahr hin, stigmatisiert zu werden.

Jaqueline Scheiber öffnet jeden Tag ein virtuelles Fenster zu ihrer Welt. Als minusgold berührt sie auf Instagram mit sehr persönlichen, leuchtenden, manchmal unbequemen Posts. So entsteht ein Raum für Erfahrungen anderer, die sich mit ihren eigenen zu einem dichten Netz an Anteilnahme und Unterstützung verweben. Doch was für die einen mutig ist, stößt bei anderen auf Ablehnung. Jaqueline Scheiber reflektiert präzise, warum sie es für unerlässlich hält, die eigene Stimme zu erheben und gehört zu werden. Sie beschreibt den Balanceakt zwischen Öffentlichkeit und Privatheit und tritt den Beweis an, dass „radical softness as a weapon“ (Lora Mathis) die Basis ist für ehrlichen Austausch, empathische Auseinandersetzung und echte Veränderung.

 

Quelle: Kremayr & Scheriau

 

 

 

Schon seit einiger Zeit folge ich, wie tausend andere, Jaqueline Scheiber auf ihrem Instagram Kanal und wer jetzt denkt: Was? Wem folgst du?, der kennt sie vielleicht unter ihrem Pseudonym @minusgold
Falls nicht, huscht mal eben rüber, denn ich liebe ihren Content nämlich sehr!
Sie ist da ehrlich, wo andere sich verstellen, spricht oft aus, was ich nicht in Worte fassen kann und ist in meinen Augen unperfekt perfekt.
Und in ihrem Buch Offenheit lebt sie diese eben nun aus.

 

Ich treffe Entscheidungen, die sich anfühlen wie eine frisch gewaschene Jeans: eng und unbiegsam, doch ich trage sie, bis ich mich darin frei bewegen kann. Denn Selfcare hat in erster Linie wenig mit Wellness zu tun, es ist vielmehr die Bedingung, um sich selbst als oberste Priorität wahrzunehmen und damit auf physische und psychische Gesundheit achtzugeben.
(Seite 86)

 

Ich muss gestehen, dass ich noch nie in einem Buch Seiten mit einem Stift markiert habe und ich dachte immer, dass das auch so bleiben würde.
Aber dann kann dieses Buch hier an und ehe ich mich versah, waren die ersten Worte bunt.
Irgendwie besitzt jede Seite mindestens einen Satz, der mitten ins Herz trifft und ich konnte einfach nicht anders und musste jeden einzelnen davon kennzeichnen. Für mich, damit ich ihn verinnerliche und vielleicht auch was daraus mitnehme.

Man merkt deutlich, dass Jaqueline Scheiber weiß was sie tut und auch wie man sich ausdrückt. Trotzdem fragt man sich unweigerlich, warum sie selbst in ihren verletzlichsten Momenten ihr innerstes nach außen kehrt und alles mit einer digitalen Welt teilt, die voll von Shitstorms ist.
In ihrer Sammlung von Essays bekommt man einen Einblick in ihre Beweggründe und warum es für sie unerlässlich und auch heilsam ist, Dinge öffentlich loszuwerden.
Denn sozialen Medien können nicht nur ausgrenzen und krank machen, sondern auch verbinden und unterstützend wirken.

 

Ich habe mir geschworen, mit meinen Wahrheiten und meinem Blick auf die Welt nicht mehr hinterm Berg zu halten.
(Seite 97)

 

Wer Jaqueline Scheiber bereits auf Instagram folgt, der weiß, mit welchen Themen sie sich zum Großteil auseinandersetzt. Sie schreibt über Body Neutrality (nicht zu verwechseln mit Body Positivity), Feminismus, psychische Krankheiten und über ihre Herkunft, aber auch das Thema Verlust spielt in ihrem Leben eine sehr große Rolle.
In jungen Jahren verstirbt ihr damaliger Partner so plötzlich, dass sich die Autorin völlig unvorbereitet mit dem Tod befassen muss. Und diese Texte über Trauer und ihr Umgang damit sind wirklich etwas ganz Besonders. Für viele junge Menschen ist der Tod noch immer ein Tabuthema und von der Gesellschaft wird oft vorausgesetzt, dass man nach einer gewissen Zeit der Trauer wieder normal zu funktionieren hat, schließlich muss das Leben ja weitergehen. Aber was, wenn dieser Weg nicht hilft oder einfach nicht machbar ist?

Was mir an Offenheit besonders gut gefällt ist der Schreibstil und die klare, schnörkellose Sprache, die trotzdem oft wie Poesie klingt. Jaqueline Scheiber spielt mit Worten und setzt Metaphern ein, ohne dahinter etwas zu verstecken und die Bilder, die sie dabei schafft, brachten mich oft dazu intensiver über gewisse Themen nachzudenken und nachdenken zu wollen.
Ihre Texte ermutigen einen dazu das eigene Handeln zu hinterfragen und aufzudröseln. Dinge zu verwerfen, zu ersetzen oder zu ergänzen und durch ihren geschilderten Weg kann man vielleicht sogar seinen eigenen entdecken.

Jaqueline, vielen Dank für deine Offenheit.

 

 

 

Tabus kann man nur brechen, wenn man darüber spricht oder schreibt – Jaqueline Scheiber tut beides.
Von mir aus hätte Offenheit auch 1000 Seiten haben können, ich hätte sie alle verschlungen.

Von mir gibt es darum auch eine klare Leseempfehlung!

 

♥ Vielen Dank an den Kremayr & Scheriau Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars! ♥

 

 

Über die Autorin
geboren 1993 im Burgenland, seit 2012 Wahlwienerin, ist Sozialarbeiterin, Mitbegründerin des Young Widow_ers Dinnerclub Wien, Kolumnistin, Autorin und eigens ernannte Selbstdarstellerin. Von 2010 bis 2017 veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Minusgold Lyrik und Prosa auf ihrem Blog. Auf dem gleichnamigen Instagram-Account bespricht sie gesellschaftskritische Themen, teilt Teilrealitäten ihres Alltags und verarbeitet Eindrücke in kurzen literarischen Erzählungen.

Quelle: Kremayr & Scheriau


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