Rezension Patricia Highsmith – Leute, die an die Tür klopfen

Rezension Patricia Highsmith – Leute, die an die Tür klopfen

Autor: Patricia Highsmith
Titel: Leute, die an die Tür klopfen
Herausgeber: Diogenes Verlag
Datum der Erstveröffentlichung: 22. Juli 2008
Buchlänge: 528 Seiten
Titel der Originalausgabe: People who knock on the door
ISBN: 978-3-257-23419-0
Preis: HC 11,90€ / eBook 9,99€
Erwerben

 

♥ Dieser Beitrag enthält Werbung, da es sich um ein Rezensionsexemplar handelt 

 

 

Als seine Gebete erhört werden und sein jüngerer Sohn eine schwere Krankheit übersteht, wird Versicherungsagent Alderman plötzlich ›erleuchtet‹ und tritt einer christlichen Sekte bei. Er beginnt, die Familie mit Moralpredigten, Kirchenbesuchen und Gebeten zu quälen. Als die Freundin seines siebzehnjährigen Sohnes Arthur schwanger wird, kommt es zur Konfrontation.

Quelle: Diogenes Verlag

 

 

Mein persönlicher Vorsatz fürs Lesejahr 2020 besteht nicht, wie bei vielen anderen Bloggern, darin, 20 Bücher meines Stapels der Schande (liebevoll auch SuB genannt) zu lesen, sondern eher, möglichst viele Bücher jener Autoren zu beenden, die ich schon seit Jahren auf meiner Wunschliste stehen habe und mir bis dato noch unbekannt sind.
Zwar war ich anfangs relativ skeptisch, ob das klappen wird, gerade weil auch viele neue Bücher auf mich warten, aber die ersten Romane konnte ich bereits erfolgreich auf meiner Haben-Seite verbuchen und auch Patricia Highsmith landete mit Süßer Wahn bereits auf dieser. Jedoch gibt es noch zwei weitere Romane von ihr, die mich sehr interessieren und so bildet Leute, die an die Tür klopfen nun das nächste grüne Häkchen, das ich mit Freunden vergebe.

Arthur ist ein ganz normaler Siebzehnjähriger aus einer ganz gewöhnlichen amerikanischen Provinz, der erfolgreich seinen Highschool-Abschluß macht und naturwissenschaftlich besonders begabt ist. Seine Zukunft sieht er genau vor sich, doch dann passiert etwas, dass nicht nur sein Leben, sondern auch das der ganzen Familie Alderman gehörig und unwiederbringlich auf den Kopf stellt.
Es liegt nicht an ihm, dass er seinen Weg zunächst nicht fortsetzen kann, um mit seinem Stipendium an einer guten Universität zu studieren. Es liegt auch nicht an der Tatsache, dass er seine Freundin Maggie geschwängert hat, die aus einem liberalen Elternhaus kommt und mit dem Beistand ihrer Eltern abtreiben lässt. Vielmehr liegt es an der Erweckungsbewegung, die seinen Vater vollkommen einlullt und ihn zum Opfer eines geldgierigen Missionarswesens macht, das im Mittelwesten der Staaten nur allzu erfolgreich ist – damals wie heute.

Mit damals meine ich das Amerika der Reagan-Jahre, in dem auch Leute, die an die Tür klopfen angesiedelt ist, aber liest man das Buch erst einmal bis zum Ende, könnte es auch jederzeit im Amerika der heutigen Zeit angesiedelt sein.
Dabei ist Arthurs Geschichte über viele Seiten nichts anderes als ein Entwicklungsroman, der den schwierigen Prozess des Heranwachsens von ihm und seinem Bruder schildert.
Anders als in vielen Highsmith-Romanen steuert dieser hier also nicht mit dem ersten Satz auf die unausweichliche Katastrophe zu, sondern beginnt eher gemächlich – dafür bricht das Unglück nur umso plötzlicher und wuchtiger herein.

Während der religiöse Fundamentalismus größere Teile seiner Familie verschluckt, der Vater Arthur immer schlimmer tyrannisiert und ihm zusätzlich Steine in den Weg legt, befreit die Katastrophe den Heranwachsenden auf eine Art, die er selbst nicht für möglich gehalten hätte.
Und auch hier konnte ich, wie schon in Süßer Wahn, das Buch erst aus der Hand legen, als die letzte Seite gelesen war.
Ja tatsächlich, ich habe Leute, die an die Tür klopfen an einem herrlichen Sonntag begonnen und auch beendet, weil, naja, ich nicht anders konnte.
Highsmith liefert hier eine mitreißende Auseinandersetzung mit psychischer und physischer Gewalt und analysiert gleichzeitig den amerikanischen Fundamentalismus der 80er Jahre so gekonnt, als wäre es eine Studie alltäglicher Terrormethoden im Schutz der eigenen vier Wände.
Dabei konzipiert sie diesen Roman wie einen Versuchsaufbau, protokolliert ungerührt den Werdegang ihrer Protagonisten, bis der Leser mit ihnen bangt und hofft. Man kann ihren Büchern eigentlich nur verfallen, so wie man vielleicht einer leckeren Schokoladentorte verfällt.
Man liest weiter und weiter, ohne zu ermüden – süchtig nach der diffusen Beklemmung, die einen nicht mehr loslässt und fühlt sich gleichzeitig wie ein Voyeur, der still zuschaut und am Ende irgendwie froh ist, ungeschoren davongekommen zu sein.

Auch dieses Buch konnte mich wieder vollkommen überzeugen und ich freue mich jetzt schon auf Die gläserne Zelle, das noch in meinem Regal auf mich wartet.

 

 

Patricia Highsmith schafft in Leute, die an die Tür klopfen eine beklemmende Atmosphäre, die kaum auszuhalten ist und beschreibt meisterhaft die Verlogenheit der Erweckungsprediger der frühen 80er Jahre.
Dabei ist dieser Roman erschreckend aktuell, absolut zeitlos, spannend und verdient deshalb auch eine uneingeschränkte Leseempfehlung von mir!

 

♥ Vielen Dank an den Diogenes Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars! ♥

 

 

Über die Autorin
Patricia Highsmith, geboren 1921 in Fort Worth/Texas, wuchs in Texas und New York auf und studierte Literatur und Zoologie. Erste Kurzgeschichten schrieb sie an der Highschool, den ersten Lebensunterhalt verdiente sie als Comictexterin, und den ersten Welterfolg erlangte sie 1950 mit ihrem Romanerstling ›Zwei Fremde im Zug‹, dessen Verfilmung von Alfred Hitchcock sie über Nacht weltberühmt machte. Patricia Highsmith starb 1995 in Locarno.

Quelle: Diogenes Verlag

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert