Rezension William Trevor – Letzte Erzählungen

Rezension William Trevor – Letzte Erzählungen

Autor: William Trevor
Titel: Letzte Erzählungen
Herausgeber: Hoffmann und Campe
Datum der Erstveröffentlichung: 01. April 2020
Buchlänge: 208 Seiten
Titel der Originalausgabe: Last Stories
ISBN: 978-3-455-00828-9
Preis: HC 24,00€ / eBook 19,99€
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♥ Dieser Beitrag enthält Werbung, da es sich um ein Rezensionsexemplar handelt 

 

 

Das Vermächtnis und geniale Abschiedsgeschenk eines großen Schriftstellers. William Trevors Erzählungen beleuchten die Abgründe menschlichen Daseins und werfen Licht auf Momente von existentieller Bedeutung. Da ist etwa das Mädchen, dessen tot geglaubte Mutter sich als höchst lebendig und kerngesund herausstellt. Oder die Klavierlehrerin, die die Diebstähle ihres Schülers stillschweigend hinnimmt, weil er so wunderbar spielt. Und der italienische Cafébesitzer in London, der sein Café nach der Frau benennt, die ihn verlassen hat. Einfühlsam, tiefgründig und mit stilistischer Raffinesse erzählt Trevor von den Leben ganz gewöhnlicher Menschen in einer Welt, in der das Glück vorübergehend und nur unter Vorbehalt zu genießen ist, in der die Vergangenheit die Gegenwart bestimmt und zufällige Begegnungen die Einsamkeit für einen Moment vertreiben können.

Quelle: Hoffmann und Campe

 

 

 

Der im Jahr 2016 mit 88 Jahren verstorbene William Trevor wurde mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet und auch für mich stand er nach seinem Roman Felicias Reise, auf meiner Liste von Autoren, von denen ich gerne mehr lesen möchte. Ich liebe sein Talent, den unscheinbar wirkenden Alltag seiner Protagonisten behutsam auszuleuchten und ihre unerfüllten Sehnsüchte eindringlich aufs Papier zu bringen.
Und so war klar, dass ich die zehn Geschichten, die in Letzte Erzählungen enthalten sind, unbedingt lesen möchte.

Da ist zum Beispiel die ältere Klavierlehrerin, die seit Jahren auf einen Ausnahmeschüler hofft, aber als er endlich eintrifft, verhält er sich anders, als gedacht. Hier die Frau, die mit ihrer Putzhilfe nie ein Wort gesprochen hat und sich erst nach deren Selbstmord für sie interessierte. Zwei Bauarbeiter, die entscheiden, dass ein Mord sie nichts angeht oder zwei Menschen, die jeweils ihren Ehegatten verloren haben, nur einer in der Zukunft aber wieder glücklich wird.

 

Sie sollten wissen, dass Liebe nicht verdorrrt, dass sie weder langsam dahinsiechen noch zu etwas Gewöhnlichen werden wird.
(Seite 177)

 

Es sind einfühlsame Geschichten ohne Happy End, die William Trevor hier schreibt und oft kommt er mir vor wie eine Art Molekularbiologe. Denn mit unvergleichlich sparsamen Mitteln macht er winzige Verschiebungen sichtbar, die andere gar nicht sehen, geschweige denn in Worte fassen können.
Sicher macht er dabei sehr wenig Tamtam, sodass unkonzentriertes Lesen schwierig ist, aber dafür wird man mit seiner spektakulären Sprache belohnt, die alles andere vergessen lässt.
Seine Art zu Schreiben ist nicht grell und auch fehlt oft die Stütze zum Festhalten, die manch ein Schnellleser benötigt, deshalb sollte man zu seinem Roman nicht unbedingt nach der Arbeit greifen, um unkonzentriert etwas Literatur aufzusaugen, sondern eher eine Tasse Tee kochen, um so seine Ausdrucksweise in Ruhe zu inhalieren.

Oft ist es das Leben selbst, das die Wahrheit in sich birgt und anhand der Figuren erkennt man, dass Menschen genau diese Wahrheiten oft nicht erkennen oder akzeptieren wollen. Auch wenn ihr Zenit längst überschritten ist, geben sie sich lieber ihren Sehnsüchten hin, denn es steht oft nicht in ihrer Macht, die Enttäuschungen der Vergangenheit in einer Schublade abzulegen.
Die schreckliche Zeit ist nicht vorbei, solange die Erinnerung ihr nicht gestattete, vorbei zu sein.

William Trevor verbrachte angeblich viel Zeit damit, auf Parkbänken zu sitzen, um so Fetzen aus den Gesprächen seiner Nachbarn zu notieren. Was für ein sinnvoller Zeitvertreib, wenn daraus so empathische Erzählungen entstehen, wie sie Letzte Erzählungen enthält.

 

 

 

Stilistisch brillante Kurzgeschichten, die mich nachdenklich und etwas melancholisch zurückgelassen haben.
Ich bin mir sicher, dass dieser Band nicht mein letzter von William Trevor gewesen sein wird und deshalb gibt es auch eine absolute Leseempfehlung von mir.

 

 

♥ Vielen Dank an den Hoffmann und Campe Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars! ♥

 

 

Über den Autor
William Trevor, geboren 1928, wuchs in Irland auf. Er besuchte das Trinity College in Dublin und war Mitglied der Irish Academy of Letters. Sein umfangreiches Werk umfasst Romane und Erzählungen und wurde mit zahlreichen literarischen Preisen ausgezeichnet. 2002 ernannte ihn Königin Elizabeth II. zum Ehrenritter. Bei Hoffmann und Campe erschienen Romane und Erzählungen, zuletzt der Erzählungsband Ein Traum von Schmetterlingen (2015). William Trevor lebte mit seiner Ehefrau Jane viele Jahre im englischen Devon; er starb im Alter von 88 Jahren am 20. November 2016 in Somerset.

Quelle: Hoffmann und Campe

 

 

 

 

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