Rezension Rhiannon Navin – Alles still auf einmal

Rezension Rhiannon Navin – Alles still auf einmal

Autor: Rhiannon Navin
Titel: Alles still auf einmal
Herausgeber: dtv Verlag 
Datum der Erstveröffentlichung: 18. April 2019
Buchlänge: 384 Seiten
Titel der Originalausgabe:  Only Child
ISBN: 978-3423262170
Preis: Broschiert 15,90€ / eBook 13,99€
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 Dieser Beitrag enthält Werbung, da es sich um ein Rezensionsexemplar handelt 

 

 

Aufgeregt versteckt sich Zach mit seinen Klassenkameraden im Wandschrank. Es ist heiß und stickig und eng. Draußen fallen Schüsse − drinnen ahnt Zach, dass etwas Schreckliches geschieht. Er wird schließlich gerettet, aber sein älterer Bruder Andy stirbt, und nichts wird je wieder wie früher sein. Die Familie droht an dem Verlust zu zerbrechen. Doch es ist ausgerechnet der kleine Zach, der die Menschen, die er liebt, aus der Verzweiflung führt.

Quelle: dtv Verlag

 

 

 

PLOP – 19 PLOP – 20 PLOP – 21
Alles war heiß und feucht und stank so schlimm,
dass mir ganz schwindlig wurde. Mein Bauch fing an zu rumoren.
Und dann war plötzlich alles still.
Keine PLOPs mehr.
Nur noch das Weinen und Hicksen im Wandschrank.
(Seite 17)

 

Plopp
Plopp
Plopp
Immer wieder hört der 6 jährige Zach dieses laute Geräusch, als er sich mit seinen Klassenkameraden und der Klassenlehrerin im Wandschrank der McKinley Schule in einer amerikanischen Kleinstadt versteckt.
Denn draußen, hinter der dünnen Sperrholzschicht sterben Menschen – hingerichtet durch einen Amokschützen.
Und als es endlich vorbei ist und die kleine Gruppe körperlich unversehrt von Polizisten befreit wird, sind Zachs drei Jahre älterer Bruder Andy und viele andere Mitschüler tot.
Zach wird von einer Sekunde auf die andere ein Einzelkind und seine Eltern zu Opfern, die nun gemeinsam oder auch ganz oft alleine mit diesem Verlust umgehen müssen.

Allein im Jahr 2017 gab es in den USA etwa 300 Schießereien an Schulen und jedes Mal, wenn ich im Fernsehen Berichte darüber sehe, zieht sich bei mir etwas zusammen. Mein Magen dreht sich, mein Herz verkrampft sich und in meinem Kopf entsteht die Frage: Wie würde ich damit umgehen, wenn mein Kind durch so eine unvorstellbare Tat zu Tode kommen würde.

Zugegeben, Alles still auf einmal von Rhiannon Navin ist keine leichte Lektüre die man schnell wieder vergisst, denn oft musste ich während des Lesens innehalten und tief durchatmen.
Die Charaktere sind real und zwar so verdammt real beschrieben, dass man das Gefühl hat neben ihnen zu stehen und ihren Atem zu spüren. Die Trauer, die Ohnmacht und die Wut die sie durchleben müssen werden zu deinem Schmerz und die Tränen die fließen, trockenen auf deinem Gesicht.

Nachdem der Amokläufer Andy erschossen hat, war ich zuerst manchmal glücklich. Ich meine, nicht superglücklich, aber ich musste an all die schlimmen Sachen denken, die er immer gemacht hat, und ich dachte, es ist bestimmt besser hier ohne ihn. Dann hört der Streit auf … Das ist schlimm, oder?’, fragte ich Daddy. ‘Nein. Das ist nicht schlimm’, sagte Daddy leise. ‘Bist du immer noch glücklich darüber?’ ‘Nein … Und … er hat ja nicht nur schlimme Sachen gemacht. Jetzt kann ich mich auch an gute Sachen erinnern. Ich will nicht, dass Andy für immer weg ist.’

Ihre Erzählstimme hat die Autorin Rhiannon Navin dabei dem kleinen Zach geliehen, der mit seinen sechs Jahren viel mehr von Herz und Seele der Erwachsenen versteht, als man vermuten könnte. Der Ton ist perfekt getroffen, nie zu altklug oder gar unglaubwürdig, denn Zach reagiert genau altersgemäß mit Wahrheiten, die nur er zu sehen scheint. Sei es, dass auf der Beerdigung seines Bruders plötzlich Lobeshymnen auf ihn gehalten werden, die Zach bitter aufstoßen (denn er war nie richtig nett zu seinen Eltern und zu Zach) oder er sich insgeheim freut, dass seine Eltern nun viel mehr Zeit für ihn haben werden, da sie sich ab jetzt nur noch um ihn kümmern müssen.
Seine Gedankengänge gingen mir unter die Haut und die Reaktionen der Eltern noch viel mehr, die mit der Anteilnahme, den Schuldzuweisungen und der allgemeinen Situation einfach nur überfordert waren.
Von da an verkriecht sich Zach immer öfters im Wandschrank seines Bruders und somit auch in seiner eignen Fantasiewelt. Er liest viel, spricht dort heimlich mit Andy und malt Farben auf Papier, die er dann verschiedenen Gefühlen zuordnet.
Vorerst bemerkt keiner seinen stillen Schrei nach Aufmerksamkeit, denn die Spirale des Traumas dreht sich bei den Eltern immer enger zu: Während die Mutter einen Rachefeldzug gegen die Eltern des Täters lostritt, lähmt die Ratlosigkeit den Vater immer mehr.
Doch Zach gibt nicht auf und möchte seine Familie um jeden Preis retten…

Definitiv ein lesenswerter Roman, der großartig zu lesen ist. Denn besonders nachdrücklich lernt man hier, dass es wichtig ist auch Kindern zuzuhören. Sie sind noch unbedarft und neu auf der Welt und sehen somit vieles klarer als wir. Sie sind nicht taub und scharfe Beobachter, die mit ihrer kindlichen Weisheit durchaus auf Augenhöhe mit uns reden können – selbst wenn man dafür oft erst auf die Knie gehen muss.

 

 

Wäre in der Zeit, in der ich das Buch gelesen habe, jemand neben mir gesessen – er hätte mein Herz brechen hören.
Alles still auf einmal ist ein wahnsinnig ergreifendes Buch über Trauer, Einsamkeit und den Familienzusammenhalt, das ich jedem uneingeschränkt ans Herz legen kann.
Absolute Leseempfehlung!

 

 

♥ Vielen Dank an den dtv Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars! ♥

 

 

 

Über die Autorin 

Rhiannon Navin, aufgewachsen in Bremen, arbeitete in verschiedenen New Yorker Werbeagenturen, bevor sie Fulltime-Mutter und Autorin wurde. Heute lebt sie mit ihrem Mann, ihren drei Kindern, zwei Katzen und einem Hund außerhalb von New York City.

Quelle: dtv Verlag

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