Rezension Jay Kristoff – Nevernight: Die Rache

Rezension Jay Kristoff – Nevernight: Die Rache

Autor: Jay Kristoff
Titel: Nevernight: Die Rache
Herausgeber: FISCHER Tor
Datum der Erstveröffentlichung: 29. Januar 2020
Buchlänge: 784 Seiten
Titel der Originalausgabe: Darkdawn – Book Three of he Nevernight Chronicles
ISBN: 978-3596703586
Preis: HC 24,99€ / eBook 22,99€
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 Dieser Beitrag enthält Werbung, da es sich um ein Rezensionsexemplar handelt 

 

 

Die Großen Spiele enden mit dem kühnsten Mord in der Geschichte der itreyanischen Republik – nur leider erwischt es den falschen. Der Konsul Julius Scaeva überlebt das Attentat, und seine Macht im Staat ist nun beinahe grenzenlos. Genauso wie sein Hass auf Mia Corvere.
Gejagt von den Assassinen der Roten Kirche und den Soldaten der itreyanischen Republik bricht Mia zu ihrer letzten großen Reise auf, um das Geheimnis ihrer Herkunft zu lüften und herauszufinden, wie sie Scaeva besiegen kann. Doch sie muss sich beeilen, denn das nächste Wahrdunkel naht, und Nacht fällt über die Republik.

Quelle: FISCHER Tor  

 

 

ACHTUNG!
Da es sich hier um einen Folgeband handelt, wird dieser Beitrag Spoiler beinhalten. Auch Band 3 werde ich ausführlich besprechen und somit werden auch hier Spoiler enthalten sein.
Zu meiner Rezension von Band 1 geht’s hier entlang
Zu meiner Rezension von Band 2 dem Link hier folgen

 

Wäre es euch lieber, dass man Bücher über euch schriebe, oder würdet ihr lieber lange genug leben, um Bücher über andere zu lesen, edle Freunde?
(Seite 58)

 

Wenn der letzte Band deiner absoluten Lieblingsreihe vor dir liegt, wie gehst du damit um? Stürzt du dich sofort ins Geschehen (oder besser gesagt in die Seiten), oder verharrst du andächtig und bist dir nicht sicher, ob du diese geliebte Geschichte mit all ihren Charakteren wirklich einfach so auslesen und ziehen lassen willst?
Ich gehöre definitiv zu letzteren Personen und gerade bei Nevernight: Die Rache fiel es mir wirklich schwer, die erste Seite überhaupt aufzuschlagen. Einerseits wollte ich endlich wieder dem grandiosen Schreibstil von Jay Kristoff verfallen, andererseits Mia und vor allem Hr. Freundlich nicht Lebewohl sagen. Innerlich zerrissen habe ich dann natürlich doch begonnen, offensichtlich, sonst würde ich ja nicht hier sitzen und meine Rezension tippen, aber die Zerrissenheit hält an, auch jetzt noch, nachdem die letzten Worte gelesen waren. 

Mia und ihr Bruder Jonnen wurden als Kinder des gefeierten Generals der Republik geboren und hatten eigentlich eine rosige Zukunft vor sich – bis der Vater rebellierte und erhängt wurde. Seine Frau und der Sohn wurden eingekerkert und sollten dort elendig zugrunde gehen, während Konsul Scaevas für die Tochter ein feuchtes Grab vorgesehen hatte. Doch Mia überlebte, entkam als Dunkelinn dem Mordanschlag und schloss sich einige Zeit später dem Assassinenorden der Roten Kirche an, um danach als Gladiatorin zu kämpfen. Dabei hatte sie die ganze Zeit über nur ein Ziel verfolgt: Den Konsul und den obersten Priester der Aa zu töten, Rache zu nehmen an dem Mord ihrer Familie. Tatsächlich schien sie ihr Ziel erreicht zu haben, sogar den totgeglaubten Bruder entriss sie den Händen des sterbenden Konsuls – hätte dieser nicht einen Doppelgänger in die Gladiatorenarena geschickt, um sich danach quicklebendig selbst zum Imperator zu küren. Und er, der wahre Vater von Mia und Jonnen, hat noch Großes vor!

 

Man weiß nie, woran man zerbrechen kann, bis man es tut. 
Man vermisst seinen Schatten erst, wenn man sich im Dunklen verlaufen hat. 
(Seite 684)

 

Ich weiß noch nicht, wie genau ich dieses Buch bewerten soll, denn ich bin gefangen in einem Ungleichgewicht aus Enttäuschung und wohligem Aufseufzen, aber halten wir erst einmal fest, dass dieses Finale wohl zu den von mir am sehnlichst erwarteten Neuerscheinungen 2020 zählt.
Nevernight hatte mich von Beginn an gepackt, denn es ist eine Reihe, die ungewöhnlich hart, blutig, böse und sprachlich obszön bei mir einschlug wie die sprichwörtliche Bombe. Ich war regelrecht euphorisch, nachdem ich Band 1 verschlungen hatte und auch Band 2 habe ich überschwänglich gefeiert – Band 3 hingegen war anders, fast schon romantisch, und doch so gleich.

Selbstverständlich lässt sich über den Schreibstil von Jay Kristoff nicht streiten. Er hat ein besonderes und für mich einzigartiges Talent Geschichten zu erzählen und Charakteren Leben einzuhauchen, das es nur so kracht. Seine Worte fliegen einem um die Ohren, bleiben im Kopf und erschaffen Ikonen, die man nie wieder vergisst. Mia zum Beispiel: Sie ist mittlerweile für so viele Leser ein Vorbild und das nicht, weil sie sich oft brutal durchs Geschehen metzelt, nein, sondern weil sie ist wie sie ist. Eine Antiheldin des Lebens, bereit für ihre Freunde und ihre Familie alles zu geben, selbst wenn sie daran zerbricht. Sie opfert unglaublich viel, hatte es nie leicht, kämpft aber trotzdem weiter, mit ihrem eigenen Ziel vor Augen. Für mich eine der unumstrittenen Favoriten weiblicher Protagonisten aus meinen bisher gelesenen Büchern.

Und trotzdem habe ich mir den letzten Band doch etwas anders vorgestellt, denn wenn ich ehrlich bin, war mir vieles zu soft. Für ein so großes Finale fehlten mir leider oft der große Knall, die anhaltende Atemlosigkeit und die Gänsehaut.
Mia und ihr Verhältnis zu Ashlinn zum Beispiel. Ich konnte Ash noch nie wirklich leiden und ihre Art, nun die ganze Zeit um Mia herumzuschleichen, fiel mir gehörig auf den Wecker. Ich gönne der Dunkelinn diese Liebe, keine Frage, hätte mich selbst mit Ash als Partnerin zufrieden geben können, aber muss sie ihr denn ständig am Rockzipfel kleben wie eine Klette und dabei ihre eigenen Ziele vergessen? Ich mache was Mia macht, war hier leider häufig die Devise, und aus der starken, gerissenen Frau wurde ein Schoßhündchen, das kläfft, wenn man dem Herrchen zu nahe kommt.
Auch die Sache mit Trick hätte meiner Meinung nach etwas mehr Action vertragen. Für mich lief alles zu glatt in diesem Dreiergespann, was vielleicht auch daran liegen mag, dass man so viel Romantik von Kristoff gar nicht gewohnt ist.
Doch neben diesen Kritikpunkten geschah auch Großartiges: Piraten, zürnenden Göttern, Riesenkraken und Schattenläufer, gepaart mit einem wahren Widerling als Antagonist. Auch die Idee mit dem Buch im Buch fand ich grandios und hier merkt man schließlich wieder, was für ein großartiger, ja auch selbstironischer Autor Jay Kristoff ist. Die Entwicklungen mit all ihren Tragödien, die seine Charaktere durchmachen mussten, haben mich oft die Faust in die Höhe, aber auch die Tränen in die Augen drücken lassen und ganz besonders DIE Stelle mit Herr Freundlich war wirklich ergreifend.
Tschja, und nun am Ende, an meiner persönlichen Nimmernacht sozusagen, bleibt sogar noch etwas Platz für ein wenig Moral, denn waren die Opfer, die Mia auf ihrem langen Weg verwundet oder gar tot zurückgelassen hat, wirklich gerechtfertigt? War es richtig zur Vermeidung eines großen Unheils andren, oft auch Unschuldigen, zu schaden? Zwar sind diese Fragen nach dem Mittelband nicht mehr ganz so präsent, aber dennoch verleihen sie dem Plot abschließend eine gewisse Tiefe.

 

 

Ein guter, wenn auch nicht ganz so triumphaler Abschluss einer Trilogie, die ich von ganzem Herzen liebe und jedem Leser nur zu gerne in die Hand drücken möchte, ob er will oder nicht.
Bedenkt man, dass Jay Kristoff selbst nicht an Happy Ends glaubt, ist ihm doch ein befriedigendes Ende gelungen, das nicht jeden glücklich machen wird, muss es aber auch nicht.
Um es in Mias Jargon auszudrücken: Scheiß drauf!

 

 

♥ Vielen Dank an den FISCHER Tor Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars! ♥

 

 

Über den Autor
Jay Kristoff verbrachte den Großteil seiner Jugend mit einem Haufen Bücher und zwanzigseitiger Würfel in seinem spärlich beleuchteten Zimmer. Als Master of Arts verfügt er über keine nennenswerte Bildung. Er ist zwei Meter groß und hat laut Statistik noch 13.020 Tage zu leben. Zusammen mit seiner Frau und dem faulsten Jack-Russell-Terrier der Welt lebt er in Melbourne. Jay Kristoff glaubt nicht an Happy Ends.

Quelle: FISCHER Tor   

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