Rezension Nicolas Mathieu – Wie später ihre Kinder

Rezension Nicolas Mathieu – Wie später ihre Kinder

Autor: Nicolas Mathieu
Titel: Wie später ihre Kinder
Herausgeber: Hanser Verlag 
Datum der Erstveröffentlichung: 22. Juli 2019
Buchlänge: 448 Seiten
Titel der Originalausgabe:  Leurs enfants après eux
ISBN: 978-3446264120
Preis: HC 24,00€ / eBook 17,99€
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 Dieser Beitrag enthält Werbung, da es sich um ein Rezensionsexemplar handelt 

 

 

Ein Ort in der Provinz, im Osten Frankreichs. Stillgelegte Industrie. Unerträgliche Hitze. Eine Gruppe Jugendliche, ohne viel zu tun, die ihre Sexualität entdecken, Bier trinken, Moped fahren oder dealen. Langeweile. Konflikte mit und zwischen den Eltern. Die Sehnsucht nach einem anderen Leben. Nicolas Mathieu schreibt über die am Rande Liegengelassenen. Über vier Sommer begleitet Wie später ihre Kinder Anthony, Hacine und ihre Freunde beim Erwachsenwerden in einer Welt der Reihenhaussiedlungen und Durchschnittsstädte – einer Welt, in der ihnen nichts geschenkt wird und an der sie dennoch hängen. Ein großer Gesellschaftsroman über das vergessene Frankreich der 1990er, voller Leben und erzählerischer Kraft.

Quelle: Hanser Verlag  

 

 

In seinem Roman Wie später ihre Kinder beschreibt Nicolas Mathieu das Teenager-Leben in einer französischen Provinz in den 90ern und wurde dafür mit dem Prix Goncourt, den renommiertesten französischen Literaturpreis ausgezeichnet.
Schon nachdem ich den Klappentext gelesen habe war mein Interesse mehr als geweckt, denn der im Buch beschriebene Niedergang der Stahlindustrie in einem fiktiven Ort in Frankreich mit dessen Folgen für die Gesellschaft hat mich doch sehr an das Ruhrgebiet oder Teile Ostdeutschlands in unserer eigenen Vergangenheit erinnert.
Diese wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüche sind selbst Jahrzehnte später noch deutlich spürbar und gerade im Fall von Ostfrankreich schlagen sich diese in extrem hohen Zustimmungsraten für extrem Rechte Gesinnungen nieder. 

Drei Jugendliche, vier Sommer – Frankreich in den 1990er-Jahren.
Wie später ihre Kinder ist ein Gesellschaftsporträt, ohne dabei allzu politisch zu werden. Der Autor bleibt dicht an seinen jugendlichen Figuren Hacine, Steph und Anthony, wobei mir die Entwicklung und die einzelnen Lebensabschnitte von letzterem wohl am besten gefallen haben. Der anfangs 14-jährige Anthony weiß nicht recht, was er mit sich und seinem Leben anfangen soll, doch eins weiß er ganz sicher: Er will raus aus dem heimischen Milieu mit den spießigen Einfamilienhäusern. Sein zur Gewalt neigender Vater hält sich mit kleinen Jobs über Wasser, seine Mutter, die Affären nicht wirklich abgeneigt ist, wird im Dorf bereits als Schlampe bezeichnet. Ihre Abende verbringen beide am liebsten mit feuchtfröhlichen Grillgelagen mit Nachbarn.
Täglich der gleiche Trott, immer etwas zu viel Marihuana-Konsum und Halbstarken-Getue, bis Anthony und sein Cousin an einem FFK-Strand Steph und Clem begegnen. Beide grazil, mit hohem Pferdeschwanz und irgendwie viel cooler als die beiden Jungs. Und ab da spürt Anthony auf einmal die Unterschiede, denn die Souveränität von Steph lässt ihn plötzlich schäbig aussehen. 

 

An andere aber denkt niemand mehr; es ist, als hätten sie nie gelebt. Sie sind gestorben und vergessen, genauso wie später ihre Kinder. 
Quelle: bibleserver.com  

 

Durch das langsame Herantasten und die gemächliche Einführung sämtlicher Charaktere muss man gerade am Anfang viel Geduld mitbringen, da die stumpfe Kleinstadtlangeweile erst einmal wirken muss.
Alles erscheint irgendwie sehr monoton, grau und leer, doch während man als Leser noch denkt: Jetzt mach doch mal hin, nimmt die Geschichte plötzlich an Fahrt auf.
Anthony, Steph und Hacine werden vor unseren Augen älter und jeder für sich auch ein Stück weit erwachsener, auch wenn nur einer der Drei wirklich den Absprung aus dem Stadtteil Heillange schafft.

Es ist keine hoffnungsvolle Botschaft, die mir Nicolas Mathieu hier vermittelt hat, sondern ein Porträt junger Menschen, die in ihrer Herkunft und ihrem Denken gefangen sind – das Überwinden dieser Strukturen gelingt leider nur Wenigen.
Es ist ein trauriges, melancholisches Buch, geschrieben in einer sehr authentischen Sprache.

 

 

Wie später ihre Kinder von Nicolas Mathieu ist die Geschichte von drei Jugendlichen, die in einer Gesellschaft leben, in der jeder nur für sich alleine kämpft – und er gibt genau diesen Menschen hiermit endlich eine Stimme.
Von mir gibt es dafür eine Leseempfehlung. 

 

 

♥ Vielen Dank an den Hanser Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars! ♥

 

 

Über den Autor

Nicolas Mathieu wurde 1978 in Épinal geboren und lebt in Nancy. Sein erster Roman erschien 2014 unter dem Titel Aux animaux la guerre (dt. Den Tieren der Krieg) und wurde für das Fernsehen adaptiert. Wie später ihre Kinder wurde 2018 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet.

Quelle: Hanser Verlag

 

 

 

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